Geburtstagsupdate
Lange habt ihr nichts mehr von mir gehört, aber im Gegensatz zum letzten Winter ist das diesmal eine gute Nachricht! Dieses pandemische Jahr hat mir wie vielen Kurzarbeitenden unverhofft weit mehr Zeit geschenkt als erwartet. Und nach der langen Stagnation der dunklen Monate, konnte ich im letzten Halbjahr so viel lesen und schreiten wie nie zuvor in meinem kurzen Autorendasein.
Durch den Input vieler kluger Bücher konnte ich das Konzept von Generation Global noch ausbauen und vertiefen, so dass ich seit einiger Zeit endlich fleißig am Fließtext der ersten 3 Kapitel feilen kann. Mit der vor 12 Monaten erhofften Fertigstellung bis zum 30. August 2020 ist es natürlich nichts geworden, aber im Frühjahr 2021 scheint sie - vorbehaltlich erneuter Winterblockaden - erreichbar!
Ursprünglich hatte ich Ende August vor allem deswegen angepeilt, weil ich heute 33 Jahre alt werde. Und das ist nicht nur eins meiner Lieblingsalter - ein Buch zu schreiben steht auch auf der Liste an Dingen, die ich mit 33 gerne geschafft hätte. Aber gut, die große Party ist coronabedingt auch erstmal auf den Frühling verschoben, höhere Gewalt. So bleibt mir eine zweite und wesentlich realistischere Chance, diesen Punkt zumindest noch in diesem Lebensjahr abzuhaken.
Für Euch nun wie immer eine kleine Leseprobe aus Kapitel 1:
Nach den Auf- und Umbrüchen der 60er und 70er Jahre hatten sich die Westdeutschen in den 80ern langsam an Mauer und Teilung gewöhnt. Ein optimistischer Star Wars-Eskapismus, ein biederer Kanzler aus Oggersheim und das neue Privatfernsehen sollten die Erschütterungen der letzten beiden Jahrzehnte vergessen machen. Die Proteste gegen die Nachrüstung ebbten ab und man richtete sich gemütlich in der stabilen Blocklage ein. Eine neue Normalität der Sättigung und Langeweile, eine neue Generation geprägt von Konsum und Markenwahn schuf die Voraussetzungen für die sorglosen 90er. In diesen beiden Boomer-Jahrzehnten vor der Jahrtausendwende spielte sich meine Kindheit ab.
Wenn Gorbatschow auch zusehends Hoffnung versprühte, so glaubten doch nicht mal die Kühnsten weder diesseits noch jenseits der Mauer an einen schnellen politischen Umbruch. Und genau deshalb war die Überraschung, die kollektive Euphorie nach dem 9. November 1989 so groß! Alles änderte sich durch die Europäische Revolution.
Nichts anderes war der Fall des Eisernen Vorhangs als eine Revolution der europäischen Bevölkerung - angefangen in Polen und Ungarn, über DDR und Tschechoslowakei, bis nach Rumänien und ins Baltikum. Die vorerst nahezu gewaltfreie Implosion eines maroden Weltreiches, der vollständige Zusammenbruch der alten Ordnung geschah völlig unerwartet und beispiellos. Selbst noch zu jung für irgendwelche Erinnerungen, scheinen die Schilderungen dieser Zeit, die erinnerten Gefühle dieser Tage doch stets auf eines hinauszulaufen: das unverhoffte Happy End des verheerenden 20. Jahrhunderts.
Obgleich die Europäische Revolution heute offensichtlich noch unvollendet ist, so hat sie doch aus einem zerklüfteten, unfreien Kontinent die Wirtschafts- und Währungsunion unserer Zeit geformt. Auf diese epochale Wende folgten nicht zu Unrecht Euphorie und Rausch, doch nahm die unverhoffte Erlösung mit dem Heilsversprechen blühender Landschaften bisweilen gar quasireligiöse Züge an. Wie anders soll man die Publikationen nennen, in denen der US-Politologe Francis Fukuyama den Hegelschen Weltgeist und das Ende der Geschichte neu beschwor.
Aber klar, nach den mannigfaltigen, weltweiten Revolutionen, Transitionen und Demokratisierungen der 70er bis frühen 90er Jahre lag auch einiges an Überzeugungskraft auf seiner Seite: Portugal, Griechenland, Spanien; Peru, Argentinien, Türkei, Uruguay, Brasilien; die Philippinen, Südkorea und weite Teile Europas; schließlich Paraguay, Chile, Südafrika und gar die ehemalige Sowjetunion! Wer hätte Fukuyama da mit unumstößlicher Gewissheit widersprechen können? War der universelle Sieg von Demokratie und Kapitalismus, von Liberalismus und Marktwirtschaft nicht wirklich das wahrscheinliche Ende der menschlichen Systemgeschichte? The happy end of history?
Inspiriert von dieser imposanten Domino-Dynamik hat er eine alte Erzählung neu formuliert. Ja gewissermaßen hat er Marx bzw. Hegel wieder von den Füßen zurück auf seinen Kopf gestellt: Statt sozialistischer Weltrevolution verkündet Fukuyama nun die zwangsläufige neuliberale Weltevolution zu Kapitalismus und Demokratie - in dieser Reihenfolge. Ohne Zweifel hatte er damit einen Nerv getroffen, speziell jenseits des großen Teichs, denn keine Deutung der welthistorischen Ereignisse passte besser zum neuen imperialen Anspruch der Vereinigten Staaten.
Die Fenster zur digitalen Globalisierung, zur Hochglobalisierung, waren aufgestoßen und der American Dream wurde zu ihrer Erzählung gemacht, ja zum ganzen Westlichen Traum empor gehoben. Das Narrativ war denkbar simpel: Freiheit und Wohlstand für alle, keine Mauern, keine Grenzen, und all das dank des und durch den neuen zügellosen Kapitalismus, befreit von jeglichen Reglementierungen. Wie von unsichtbarer Zauberhand werde sich das Demokratie-Domino fortsetzen, wenn man Märkte entfesselt und staatliche Interventionen zurückdrängt. Wahrlich ein Westlicher Traum - zu schön um wahr zu sein.
Während wir Millennials also noch unsere weitgehend sorglose Kindheit durchlebten, wurde dieser Traum aus der Taufe gehoben und millionenfach geträumt. Uns wurde eine scheinbar endlose Party prophezeit.