Vorwort

Ja, ich bin ein Schönwetterschriftsteller - zu Hause, im Winter, bei kaltem, nassen, schlechten Wetter kann ich einfach nicht kreativ sein, nicht schreiben, ich bin wie blockiert. Deswegen ist hier monatelang nichts passiert. Aber seit März geht es mit großer Geschwindigkeit voran, dank der Sonne kann ich viel spazieren gehen, kann ich mein Buch buchstäblich schreiten.

Ich springe wild durch die 8 geplanten Kapitel, ergänze hier, verdichte da, lese jede Woche neue Bücher zur Recherche und möchte Euch hier nun die erste Version des Vorworts präsentieren, damit ihr mir auch glaubt:

8. Klasse, erster Schultag. Ich wurde vor ein paar Tagen 14 Jahre alt und machte mich direkt nach der Schule mit Viktor daran, unser Klassenfoto kreativ zu verschönern - mit der Hilfe eines monströsen Scanners und Paint. Die Zeit verstrich, wir wechselten zu ihm nach Hause, weder bei mir noch bei ihm war ein Fernseher an. Auf dem Rückweg gegen 16 Uhr nahm ich bei Schlecker noch Smarties und eine Dose Cola mit und kam kurz vor dem Einsturz des zweiten Turms zu Hause an. Es war der 11. September 2001 und ich werde diesen Tag nie vergessen. Ich werde nie vergessen, dass ich bei Viktor war, Smarties gekauft habe oder den ganzen Abend wie gebannt auf unseren Röhrenfernseher starrte.

Natürlich wusste ich in diesem Alter nicht, was Terrorismus war, welche politischen Konsequenzen diese Tat haben würde, aber ich spürte die Tragweite des Ereignisses, spürte den Schock - der zum Ur-Schock meiner Generation, der Millennials, werden sollte. Es vergingen noch weitere vier desinteressierte Jahre bis ich als Erstwähler endlich meine Leidenschaft für Politik und Geschichte entdecken sollte, spätestens von da an begann ich so langsam an meinen Altersgenoss*innen zu verzweifeln. Wo blieb ihre Rebellion? Warum ging denn niemand auf die Straße?

Mit der Schule gab es 2003 zwar mal eine Demo gegen den Irak-Krieg, meine erste, dann kamen die unsozialen Hartz-Gesetze, doch keine*n in meinem Alter hat’s interessiert. So viele Missstände hier und auf der ganzen Welt, doch irgendwie tat sich gar nichts. Es folgten Finanzkrise, Schuldenkrise, Eurokrise, Fukushima, die so genannte “Flüchtlingskrise”, Brexit und Trump. Und über alledem immer die heraufziehende Klimakrise. Um fair zu bleiben: Ja, es gab hier und da kleinere Protestbewegungen wie Occupy, bei denen auch einige junge Leute mitmischten, doch auch diese vereinzelten Widerstandsversuche gegen die Krisenkaskade versandeten letztlich. Alles wurde immer nur noch schlimmer.

Auch ich persönlich schöpfte in diesen beiden Jahrzehnten zwischenzeitlich immer wieder Hoffnung - als Beobachter oder selbst als Akteur. 2008 verfolgte ich die US-Vorwahlen und Obamas Wahlnacht intensiv bis zum Morgengrauen, ein historischer Präsident! 2011 jubelte ich dem Arabischen Frühling zu und hoffte auf immer mehr freie und demokratische Länder, ein historischer Aufbruch! 2012 wurde ich dann zum Vorsitzenden der sächsischen Piratenpartei gewählt, einer neuen progressiven Partei in schon vier deutschen Landesparlamenten, historisch! Doch die 10er Jahre machten all meine Hoffnungsschimmer schnell wieder zunichte. Statt Obama, Arabischer Frühling und Piratenpartei hieß es nun: Trump, Syrischer Bürgerkrieg und AfD.

Egal was angepackt wurde, alles wurde immer nur schlimmer. Für die große Mehrheit meiner Mit-Millennials musste sich das wie eine Bestätigung anfühlen: wir können doch sowieso nichts ändern, wir haben schon genug damit zu tun, selbst im Leben voranzukommen! Und so verstärkte sich über die beiden Jahrzehnte ihr Bedürfnis nach Halt, nach Geborgenheit auf ein solch konservatives Maß, dass völlig zu Recht von einem neuen Spießer*innentum gesprochen wird. Auf einmal sind Religion und Heimat, Tradition und Ehe wieder in, Lokalpatriotismus und Regionalismus kehren zurück, Kinder und Bars bekommen hippe altdeutsche Namen wie Emil und Lisbeth. Holzfällerhemden, Hornbrillen und Bärte an jeder Ecke, die neuste deutsche Welle auf Spotify und jeden Sonntagabend der Tatort! Meine Generation Praktikum sucht sich echt jeden Halt, den sie in dieser Krisenkaskade kriegen kann.

Der Neu-Biedermeier war ihre logische Reaktion auf die allgemeine und dauerhafte Verunsicherung, direkt proportional zur Krisenintensität wuchs ihre Sehnsucht nach Ruhe, nach Sicherheit in einer unübersichtlichen, überkomplexen Welt. Das Ende der Erzählungen, das Ende der Geschichte und der Anfang von nichts. Postindustriell, postmaterialistisch, postheroisch, postideologisch, poststrukturalistisch, postimperial, postfaktisch, postdemokratisch - viel davor und wenig danach. Alte Gewissheiten durch ein orientierungsloses Präfix ersetzt, eine grundlegende und allgegenwärtige Postmoderne Krise.

Nach unserem parteipolitischen Scheitern zogen sich die wenigen Millennials, die es hier in Deutschland zumindest versucht hatten, letztlich auch ins Private zurück. Einzelne gingen auch zu anderen Parteien, doch weite Teile des Umfelds, das mich prägte und erst wirklich politisierte, zerfiel. In meiner Studienstadt Dresden wurde die Situation schließlich unerträglich: die AfD saß jetzt mit mehr als einem dutzend Abgeordneten in dem Landtag, für den selbst ich noch kandidiert hatte; der Pegida-Mob dominierte die Stadt und die deutschen Medien. Als ich 2014 beim Klassentreffen nur noch darauf angesprochen wurde, war klar: ich muss hier raus. Das war zu viel. Mit gleichsam desillusionierten Freund*innen verließ ich Dresdens nostalgische Puppenhausidylle und flüchtete in die Freiheit Berlins, diese tanzende Metropole am Puls der Zeit. Fortan unsere globale Enklave im Sturm des aufziehenden Nationalismus.

Mit jedem Jahr wurde der Rechtsruck nun heftiger. Was spätestens 2010 mit der Tea-Party, Orban und Sarrazins rassistischem Bestseller begann, führte über Xis Aufstieg und Putins Rückkehr ins Präsidentenamt hin zur Gründung der AfD, dem Ende des Arabischen Frühlings durch El-Sisis Militärputsch und der Niederschlagung der Gezi-Proteste durch Erdogan. In nahezu jedem Land gewannen Kräfte des rechten Spektrums jetzt die Wahlen, sofern es Wahlen gab. In Polen und in Indien, in Argentinien und auf den Philippinen - von rechtskonservativ bis rechtsradikal.

Diese Ereignisse hingen zumeist nicht unmittelbar zusammen, doch mittelbar beeinflussten sich die Wahlerfolge der oftmals erstaunlich Gleichgesinnten durchaus gegenseitig. Die mediale Weltöffentlichkeit und der direkte digitale Austausch brachten, welch Ironie, gerade die solitären nationalistischen Kräfte auf einmal in weltweite Wechselwirkung miteinander. Aus einstmals isolierten autoritären Splittergruppen, Bewegungen und Außenseiter*innen formte sich so eine Nationalistische Internationale heraus, mit einer erschreckend ähnlichen Agenda - Lügenpresse! Grenzen schließen! Wir sind das Volk! - von den Amerikas nach Europa, von Asien nach Afrika. All dies gipfelte dann im erschütternden Jahr 2016. Das ganze Jahrzehnt lang raunten wir schon "winter is coming" - und dann kam der Winter tatsächlich und sprengte jede Vorstellungskraft.

Nach abgegebener Bachelorarbeit war ich gerade auf einer Rundreise, als ich an einem frühen Junimorgen ungläubig auf mein Handy starrte: Völlig unerwartet wählte eine knappe Mehrheit Großbritanniens den Brexit, den Austritt aus der Europäischen Union. Wie konnte das nur passieren? Nur 4 Monate später war ich mir wieder ganz sicher - ja ich hätte auch meine zweite Hand dafür ins Feuer gelegt, dass solch eine Person niemals zum Präsidenten der USA gewählt werden könnte. Vielleicht würde es knapp, aber die Wahl dieses autoritären Egomanen, dieses rassistischen Postdemokraten war für mich einfach unvorstellbar. Gemeinsam mit Freund*innen saß ich die ganze Nacht vor dem Beamer und wir wurden zusehends fassungsloser. Bei Trumps Siegesrede in den frühen Morgenstunden des 9. November 2016 war ich nur noch wie gelähmt vor Schock.

Der politische Winter war gekommen, ein Kälteeinbruch wie ihn niemand kommen sah, der größte politische Schock meines Lebens. “Ein Solidaritätsbruch mit allen, die nicht zur sogenannten Mehrheitsgesellschaft gezählt werden”, wie eine Freundin schrieb. Ja, dieses Trauma hat sich ähnlich tief in meine Erinnerung eingebrannt wie damals der 11. September 2001, nur war ich diesmal im Vollbesitz meines politischen Bewusstseins. Die Tragödie von 2001 kehrte also 2016 als Farce zurück - damals begann unsere Verunsicherung, dies nun war nur noch Spott und Hohn auf jegliches Engagement, jeglichen Versuch gegen die Abwärtsspirale anzukämpfen.

Hier fing ich so langsam an, meine Mit-Millennials zu verstehen. Nach mehr als 10 Jahren enttäuschter Hoffnung und vergeblicher Anstrengung setzte mir die Frustration nun ebenfalls so zu, dass ich meine politischen Aktivitäten begrub und entschied, dieses Buch zu schreiben. Als Selbsttherapie eines weiteren überforderten Millennials - eine Kritik, eine Abrechnung, eine Analyse meiner passiven, angepassten Generation. Ich meine, wir waren ja schon so verzweifelt, Angela Merkel zuzujubeln, wie konnte es nur so weit kommen?

Doch dann geschah Erstaunliches, Unverhofftes, Hoffnungsvolles: Sie tragen die Namen Emma, Greta, Joshua - neue Held*innen betreten auf einmal das Rampenlicht, die politische Bühne der Welt. Sie kämpfen für Leben und Vielfalt, für Zukunft und Klimagerechtigkeit, für Freiheit und Demokratie. Und dieses Buch nimmt eine unerwartete Wendung.

Wozu wir Millennials nicht mehr fähig waren, desinteressiert und desillusioniert, eingeigelt in unserem häuslichen Kokon, das starten mal eben 14-, 16-, 18-jährige Schüler*innen. Befreit vom Ballast der Verunsicherung, mit dem Mut der Verzweiflung und Trump zum Trotz formiert sich eine neue Generation als der Widerstand, der wir nicht sein konnten und wollten. Aus der latenten Krisenkaskade sind heute existenzielle Bedrohungen geworden, die erste globale Generation kämpft jetzt um ihre Freiheit, ihre Zukunft, ihr Leben - sie hat nichts mehr zu verlieren. Alles wird nicht mehr schlimmer, es kann nur noch besser werden!

Nach dem schrecklichen School-Shooting im Februar 2018 in Parkland/Florida verharrten die überlebenden Schüler*innen nicht etwa in Trauer - nein sie organisierten sich, sie nutzten die digitalen Werkzeuge, die ihnen in die Wiege gelegt wurden, gründeten eine Anti-Waffen-NGO und initiierten mit dem March For Our Lives eine landesweite Massendemonstration mit mehreren Millionen Teilnehmer*innen. Hier hielt die 18-jährige Emma Gonzalez eine so bewegende Rede, die sie zum Symbol machte für den Kampf gegen Waffengewalt und Hass, für den Kampf ums Leben, ja ums Überleben. Eine “Generation Columbine”, aufgewachsen mit der perversen Normalität immer wiederkehrender Schulmassaker, kehrt ihren Schmerz nach außen und wandelt ihre Verletzungen in Engagement für andere um.

Nur 6 Monate später, im August 2018, streikte die 16-jährige Greta Thunberg zum ersten Mal vor dem schwedische Parlament für das Klima und blieb dafür gezielt dem Schulunterricht fern - inspiriert von eben jenen Parkland-Schüler*innen, die anfangs auch den Schulstreik als Protestmittel nutzten. Sie streikte fortan jeden Freitag für ihre Zukunft, für die Zukunft ihrer Generation und des ganzen Planeten - Fridays For Future war geboren. In wenigen Monaten wurden auch aus diesem Engagement für das Gemeinwohl eine Massenbewegung, gar eine globale und bis heute ist Greta Thunberg die Symbolfigur einer neuen rebellischen Generation, die wieder auf die Straße geht und kollektive Verantwortung übernimmt.

Im Juni 2019 schließlich wurde Joshua Wong aus dem Gefängnis entlassen, bereits als 14-Jähriger hatte er Demos und Besetzungen gegen die schleichende Gleichschaltung Hongkongs durch Chinas Diktatur organisiert und angeführt. Immer wieder wurde er festgenommen und zeitweise für seine Beteiligung an den Regenschirm-Protesten verurteilt. Rechtzeitig zur neuen Massenbewegung kam er nun frei und reiste um die Welt, um die globale Öffentlichkeit wachzurütteln, um auf die prekäre Situation seines Stadtstaates aufmerksam zu machen.  Mehr noch als die anderen beiden steht er für den Teil der globalen Generation, der Demokratie erst noch erkämpfen muss oder dessen prekäre Freiheit gänzlich gefährdet ist - nicht nur in Hongkong, sondern auch im Sudan, Pakistan, Ägypten, Brasilien, Chile und vielen anderen Ländern des Globalen Südens. Auch oder gerade weil die individuelle Bedrohung in dieser Konstellation viel direkter und akuter ist, ist es umso beeindruckender, dass so viele junge Menschen solche persönliche Risiken eingehen - für ihre Ideale und die Zukunft ihrer Gesellschaften.

Diese 3 jungen Held*innen stehen stellvertretend als die ersten globalen Namen und Gesichter ihrer Generation, hinter denen sich jetzt schon Massen versammelt haben. Aber auch die jüngste Friedensnobelpreisträgerin und Kinder- und Frauen- rechtsaktivistin Malala Yousafzai, die in Pakistan mit 15 Jahren ein Attentat überlebt hat, oder Zulaikha Patel, die als 13-Jährige in Südafrika gegen Rassismus und Diskriminierung schwarzer Schüler*innen aufbegehrte sind globale Symbole geworden - und viele weitere werden in den nächsten Jahren hinzukommen.

Symbole der größten Generation, die die Welt je gesehen hat, denn die Globals umfassen die geburtenstärksten Jahrgänge der Geschichte. Während hier in Europa zumeist nur von Überalterung gesprochen wird, lebten noch niemals so viele junge Menschen auf der Erde. Knapp 2,5 Milliarden, also gut ein Drittel der Weltbevölkerung, gehören zur ersten globalen Generation - und sie werden sich mehr und mehr verbinden, organisieren, zusammenschließen über den ganzen Globus hinweg. Denn die Globals werden bedroht, ihrer Zukunft beraubt von einem gemeinsamen Gegner.

Aufgewachsen in der digitalen Hochglobalisierung, vernetzt über Kontinente, können und müssen sie als erste globale Generation nie dagewesene Notlagen bewältigen - und sind dabei konfrontiert mit einer globalisierten Wirtschaft ohne politisches Gegengewicht, mit korrupten Staatsspitzen, die Wissenschaft und Fakten leugnen, mit nostalgischen Nationen, die ihr Heil in Grenzen und Egoismus suchen. Der weltweite Rechtsruck und die Nationalistische Inter- nationale sind aber nur vordergründig dieser gemeinsame Gegner. Ja, sie sind die konkreten Nutznießer*innen, sie profitieren von den vielfachen Krisen, sie verschlimmern, sie verschärfen und beschleunigen alle Notlagen - und deswegen müssen sie gestoppt werden, bekämpft werden, auf den Straßen, auf den Plätzen, in den Herzen, in den Köpfen! Einhalt gebieten, Widerstand leisten, wo es nur geht - doch all das wird nicht ausreichen.

Die Neuen Rechten, die AltRight, die Nationalistische Internationale wie auch all die vielen noch-nicht-rechten Regierungen, die vorauseilend nie wieder Geflüchtete aufnehmen und Grenzen abriegeln wollen - sie alle sind nur Symptome. Die Ursache, der wahre Gegner, ist die Postmoderne Krise selbst, eine Sackgasse ins philosophische Nichts, die größte geophysikalische Katastrophe. Eine materielle Krise des Handelns, der Wirtschaft, der Gesundheit, des Klimas - und eine immaterielle Krise des Denkens, der Identität, der Wahrheit, der Zukunft. Diese epochale Krise hat ein Vakuum gerissen, umfassende Orientierungslosigkeit gebracht, eine Welt im Chaos. 

Dauerhaft, langfristig, nachhaltig wird die Welt somit nur zu retten sein, wenn diesem Nichts eine Zukunft entgegengesetzt wird, die Leere gefüllt mit Sinn, Vision statt Vakuum. Die postmodernen Irrwege müssen korrigiert werden, nur so kann die Katastrophe abgewendet werden - vereint, nicht zersplittert, mit einem globalen Gesellschaftsentwurf, der Arm und Reich, Nord und Süd, Wirtschaft und Politik, Mensch und Natur wieder ins Gleichgewicht bringt. 

Nur die neue Generation bringt den Mut, die kollektive Verantwortung und die Einsicht mit, dem Ende der Geschichte und aller Erzählungen, der Postmodernen Krise ins Auge zu sehen und sie überwinden. Die Globals gehen aber auf keinen Marsch durch die Institutionen, nein sie müssen die neuen Institutionen überhaupt erst schaffen. Eine Erzählung formulieren, eine Symphonie komponieren von Leben und Vielfalt, von Zukunft und Klimagerechtigkeit, von Freiheit und Demokratie. Darauf hat die Welt gewartet!

Zuerst steht uns allen jedoch ein neues, stürmisches Grenzjahrzehnt bevor, die 20er Jahre. Ein Jahrzehnt des Übergangs, der Überlagerung, der Interferenz - das Alte ist noch nicht untergegangen und das Neue noch nicht geboren. Die Vergangenheit klammert sich an die Macht und die Zukunft steckt buchstäblich noch in den Kinderschuhen. In den nächsten Jahren werde diese Pole vielfach aufeinanderprallen und mannigfaltige Konflikte ausbrechen.

Just zu Beginn der neuen Dekade sind wir jetzt mit einer weiteren historischen Krise konfrontiert, der globalen Corona-Pandemie. Womöglich ist sie der entscheidende postmoderne Gamechanger und Zukunftskatalysator, ganz sicher aber ist sie der Brandbeschleuniger, der die Konflikte und Interferenzen der 20er Jahre in unvorstellbarem Ausmaß befeuert; der die gespaltenen Gesellschaften in Flammen setzt und die Postmoderne Krise weiter anfacht. Eine Welt im Chaos, voller Abstieg und Not, Leid und Tod, voller Falschmeldungen und Verschwörungstheorien, Grenzen geschlossen, die Globalisierung gestoppt, willkommen in der Rechtsruck-Welt.

Es hätte kein wichtigeres, kein besseres Timing geben können - die rebellischen Globals lösen die angepassten Millennials zum genau richtigen Zeitpunkt ab! Im Gegensatz zu uns haben sie die globalen Zusammenhänge früh erkannt und sind nicht paralysiert und überfordert von deren Komplexität. Ob 2016 oder 2020 - sie sind nicht verunsichert, nicht gelähmt durch diese Schocks, im Gegenteil. Wir wollten unsere Privilegien nicht riskieren, doch die Globals wissen: Wer überhaupt eine Zukunft auf dem Planeten haben möchte, muss handeln, provozieren, aufbegehren - es gibt eben nichts mehr zu verlieren. Und so rebellieren sie, organisieren und kämpfen - für eine Zukunft nach der Krise, für eine Ordnung nach den Nationen, für ein Zeitalter nach der Postmoderne.

Sie sind unsere zweite Chance, endlich doch noch Verantwortung zu übernehmen für mehr als unseren eigenen Lebenslauf. Ich war noch nie so glücklich wie in diesen Lockdown-Tagen, dass es diese neue Generation gibt. Online wie offline, global wie lokal, jeden Tag können wir einen Blick mehr auf das Mosaik der Zukunft werfen. In diesem Buch möchte ich dieser Hoffnung nachgehen. 

Lassen wir uns von autoritären Rückschlägen und nationalen Simulationen nicht täuschen - die Saat ist ausgesät, der Winter angezählt, der Frühling hat begonnen.

April 2020, Fl0range