Happy Birthday und wo bleibt dein Buch?

Heute ist mein Geburtstag, ich werde 35 Jahre alt und da mich einige in letzter Zeit immer wieder gefragt haben, wo denn mein Buch nun bleibt - hier der Stand der Dinge! Zugegeben, bei meinen vielen Projekten es ist nicht leicht, den orangen Faden im Blick zu behalten, daher leiste ich hier umfassende chronologische Aufklärung:

2019 hat alles mit Fridays For Future begonnen, hier bin ich auf die Zukunft gestoßen und habe mich zum Schreiben verpflichtet und ich schreibe noch immer. Dieser manifeste Gegensatz zwischen uns melancholischen Millennials und Gretas rebellischen Globals (“Generation Z”) fesselt mich bis heute und hat ein Tor in eine unerwartete Richtung geöffnet.

2020 führten mich meine Buch-Recherchen nämlich zu einer tiefer liegenden Systematik von Ordnungen, die mein historisches Verständnis revolutioniert hat: Die Geschichte der Menschheit als Abfolge von Aufbruch und Zerfall, stets pendelnd zwischen Sicherheit und Freiheit, zwischen Fortschritt und Bewahrung. Seitdem analysiere ich diese Muster mit kritischer Faszination und wie von selbst hat sich hieraus die Entwicklung einer reichhaltigen Theorie ergeben, deren Ausarbeitung noch einige Jahre in Anspruch nehmen wird.

2021 ergibt so auf einmal alles Sinn: Die geschwungene, gebrochene Architektur unserer Zeit genauso wie die Ruinenlust und Melancholie der “Lost Places” - wenn ich durch die Straßen laufe, tauche ich ein in die Dynamik der Geschichte. Ich lese in Fassaden und Straßenverläufen von den Umbrüchen vergangener Epochen und lerne aus der Spurensuche nach vergessenen Orten etwas für unseren “Zerfall der Alten Ordnung”. Nicht zufällig ist dies seitdem der neue Buchtitel, dank der Ordnungstheorie ergibt sich die Verortung unserer Gegenwart am Ende eines Zyklus und so erklären sich die kaskadierenden Krisen wie auch das Zeitgefühl des Zerfalls. Insbesondere wir Millennials steht hier zwischen den Ordnungen - die Alte funktioniert nicht mehr und eine Neue ist noch nicht in Sicht - und geraten immer stärker unter Druck, während sich alles um uns herum zuspitzt.

© Ralf Münch (Nordbayerischer Kurier)

2022 habe ich dann von einer renommierten Literaturagentur das erste konstruktive Feedback zu meinem Manuskript erhalten, doch gleichfalls mit dem Hinweis, dass zurzeit nur sehr selten neue, unbekannte Autor:innen aufgenommen werden. Und so habe ich mich entschieden erstmal weiter meine publizistische Präsenz auszubauen, was mich immer tiefer in die “Lost Places” meiner Heimatstadt Bayreuth geführt hat. Hinter Orten, die ich schon ewig kenne, habe ich so neue Bedeutungen entdeckt - eine ganz neue Art Geschichte zu erleben hat sich hieraus entwickelt: Siedlungen und Städte als dynamische Prozesse, die sich in Schüben und Zyklen, entlang Flüssen und Tälern ausbreiten.

Aus dieser kulturgeographischen Perspektive entwickelt sich gerade eine ganz neue Art von Museum - digital, vernetzt, immersiv - welches die Geschichte der Industrialisierung am Beispiel Bayreuths erzählen soll. Eine Initiative, die diesen Sommer eine unglaubliche Eigendynamik entwickelt hat - und damit gänzlich unerwartet einen erheblichen Teil meiner Zeit wieder in meine Heimatstadt verlagert. Womöglich ist das Bayreuther Netzwerk zwar ein überschaubarer Hügel, aber doch einer, von dem aus sich besser durchstarten lässt!

Zusammengefasst lässt sich also festhalten: Das Sp(ü)ren des Umbruchs steht im Mittelpunkt all meiner Projekte - die intellektuelle Analyse durch die Theorie, das persönliche Erleben durch Buch und Artikel sowie nun auch die praktisch-sinnliche Wahrnehmung durch das zukünftige Industriemuseum. Bis Jahresende möchte ich das Manuskript überarbeiten und die zweite Agenturrunde starten, und wer weiß schon, was das neue Lebensjahr bringt?